Nidau. - Nach dem medialen Druck der letzten Wochen hat der Nidauer Gemeinderat nun angekündigt, aus den jüngsten Geschehnissen rund um “Abu Ramadan” Konsequenzen zu ziehen. Doch anstatt gegen Extremismus und Radikalisierung vorzugehen, macht Nidau Jagd auf Arme.
Ende August wurde publik, dass ein in Nidau lebender Prediger in einer Bieler Moschee angeblich gegen Andersgläubige gehetzt hat. Der Fall löste in der ganzen Schweiz ein grosses Medienecho aus. Die Besorgnis über religiösen Extremismus ist berechtigt, doch die meisten Medien skandalisierten stattdessen die Tatsache, dass der Prediger den Flüchtlingsstatus besass und jahrelang Sozialhilfe bezogen hatte. Nun will der Nidauer Gemeinderat Druck auf den Berner Migrationsdienst ausüben, um weiteren Langzeitbeziehenden der Sozialhilfe die Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung zu entziehen.
Arbeitslosigkeit ist seit langem ein beliebtes Schweizer Exportprodukt. Im 19. Jahrhundert versuchte die Schweiz arme Bürger*innen mit Anreizen und Druck zur Emigration nach Übersee zu bewegen. Im 20. Jahrhundert wurden die Saisonnierarbeiter*innen je nach saisonaler und konjunktureller Arbeitslosigkeit abgeschoben. Nun will Nidau diese unwürdige Tradition weiterführen. Dieses Vorgehen in Nidau passiert nicht isoliert, sondern steht im Zusammenhang mit ähnlichen Entwicklungen im Kanton Bern und insbesondere in der Region Biel. “Rechte Politiker*innen wie der Nidauer Gemeinderat Roland Lutz oder der Bieler Gemeinderat Beat Feurer versuchen sich auf Kosten der Ärmsten der Gesellschaft zu profilieren. Hier wird nicht die Armut, sondern die Armen bekämpft”, empört sich Muriel Günther, Mediensprecherin der JUSO Bielingue. “Die Probleme der strukturellen Arbeitslosigkeit im Kapitalismus werden durch die Abschiebung von armen Personen nicht gelöst, sondern höchstens verschoben.”
Jede Person in der Schweiz hat in Notlagen Anrecht auf Sozialhilfe, unabhängig von Aufenthaltsstatus und religiösen oder politischen Ansichten. Dass Menschen ohne Schweizer Pass überdurchschnittlich oft auf Sozialhilfe angewiesen sind, hat nicht mit Faulheit, sondern mit struktureller Diskriminierung und fehlenden Integrationsmassnahmen zu tun. “Wenn Nidau das Problem der langfristigen Arbeitslosigkeit nachhaltig angehen will, sollte die Stadt in (Arbeits-)Integration investieren. Dies würde auch helfen, Extremismus vorzubeugen, denn Armut und Ausgrenzung sind der Nährboden, auf dem Extremismus erst gedeihen kann”, sagt Samuel Trafelet, Vorstandsmitglied der JUSO Bielingue. “Wir fordern den Nidauer Gemeinderat und den Kanton Bern auf, die Jagd auf die Armen sofort zu stoppen. Denn die Armen sind nicht das Problem, sondern das Symptom eines kaputten Systems.”
(Im Bild: Nidauer SVP-Gemeinderat Roland Lutz)
03.10.2017